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Channel: Bestatterweblog Peter Wilhelm
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Schimmel -XI-

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Man muß jetzt nicht meinen, daß die Frau des Vermieters, die ja meine eigentliche Vermieterin ist, ihr Verhalten großartig geändert hat. Sie hat nur einmal aufgetrumpft, ist mal über ihren Schatten gesprungen und keiner weiß, wie oft sie das vielleicht tut, wenn sie mit ihrem Mann alleine ist.

Im weiteren Verlauf der Sache verhielt sie sich dann wieder so wie immer, leise, zurückhaltend und eher den Eindruck erweckend, als sei sie etwas zurück geblieben. An dieser Stelle muß ich die Geschichte von Martin und Geli erzählen. Martin hat in deren Ehe so in etwa die Rolle, die die hier beschriebene Vermieterin hat; er ist leise, duckmäuserisch und beinahe schon devot. Geli hingegen hat eine Klappe wie eine evangelische Abendmahlströte und posaunt alles im Diskant heraus. Zu allem und jedem hat sie eine Meinung und fast jeder ihrer Sätze endet mit "Nicht, Martin, das meinst Du auch!"

Geli kauft sich alles was sie will, Martin muß betteln.
Geli bestimmt, wohin es in Urlaub geht, Martin mag da nicht hin, macht aber duldsam mit.
Geli sagt an, Martin gehorcht.

Im Laufe der Zeit tat uns Martin leid. Wenn ich 'uns' sage, dann meine ich meine allerliebste Ehenatter und mich.
Wann immer wir mit Martin und Geli zusammen waren, versuchten wir, es Martin besonders schön zu machen und ihm immer mal wieder den einen oder anderen kleinen Vorteil zukommen zu lassen.
Manchmal haben wir uns auch regelrecht eingemischt, wenn wir den Eindruck hatten, Geli würde Martin übervorteilen.

Als beispielsweise Martins Mutter starb, hatte ihm die alte Dame ein ganz ansehnliches kleines Vermögen hinterlassen. Gelis Kommentar: "Wir haben geerbt, aber Martin kriegt auch was ab."
Ihr ist regelrecht die Kinnlade heruntergefallen, als meine Frau ihr erklärte, laut Gesetz habe nur Martin etwas geerbt und ob sie etwas abbekomme, das hinge allein von Martins freier Entscheidung ab.
"Wieso das denn? Wir sind doch verheiratet!" hatte Geli protestiert und sah schon ihre Felle davonschwimmen. Vor allem hatte sie nämlich schon großzügig aus Martins Erbschaft an ihre beiden Söhne verteilt. Diese Söhne hatte sie mit in die Ehe gebracht und Martin hat sie großziehen und finanzieren dürfen, weil Geli zu stolz war, etwas vom Kindsvater zu nehmen.
Daß beide Söhne ebenso nutz- wie hirnlos durch das Leben hartzten, muß man ja nicht extra erwähnen.

Immerhin hat sich Martin unseren Einwand gemerkt und erst mal den Rest seines Geldes auf ein Sparbuch gepackt. Geli schmollte zwar monatelang, aber so ist wenigstens auch heute noch, wenn auch nur ein kläglicher Rest, von der Erbschaft da.
Der eine Sohn hat mit dem Geld eine Mordskarriere als Kneipenwirt hingelegt und der andere hatte sich einen Kiosk in einem Gewerbegebiet gekauft. Der Kneipenwirt ging schon nach drei Monaten pleite und der Kioskbesitzer hielt ein gutes halbes Jahr durch, dann war die Großbaustelle gegenüber abgeschlossen und es kamen keine Bauerbeiter mehr.
Zweimal 18.000 Euro weg.

Ein anderes Mal ging es darum, daß Martins und Gelis Fernseher kaputt gegangen war. Geli fragte uns, ob wir nicht irgendwo noch einen alten Apparat herumstehen hätten.
Hatten wir, aber Martin hatte gerade eben erzählt, daß er sich am liebsten einen Flachbildfernseher und eine Satellitenschüssel kaufen würde.
Ich habe dann einfach die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und mich als großen technischen Sachverständigen eingebracht und Martin beim Kauf begleitet.
42 Zoll, HD, Technisat-Receiver. Martin war glücklich und Geli hat innerlich gekocht, konnte aber nach außen hin nur lächeln, denn schließlich war es Martins Geld.

Jetzt könnte man meinen, daß Martin eine arme Sau ist und Geli eine bösartige Ziege.
Eines Tages jedoch war ich mal mit Martin alleine unterwegs und da kam das Gespräch wirklich ganz zufällig auf das Verhältnis zwischen den beiden.
Martin schüttelte den Kopf und erzählte mir, daß er, abgesehen von diversen Ausrutschern, sehr glücklich und zufrieden sei. Alleine käme er nämlich im Leben gar nicht zurecht und brauche unbedingt jemanden wie Geli, der ihm immer klipp und klar sagt, was zu tun ist.
"Ja, das ist manchmal etwas anstrengend, aber für mich wäre es anstrengender, wenn ich Entscheidungen fällen müsste."

So ähnlich stelle ich mir das Verhältnis zwischen unserem Vermieter und seiner Frau auch fast vor.
Denn wirklich doof scheint die Frau nach dem Auftritt bei uns ja nicht zu sein.

Wie ist es weiter gegangen?
Nun, es stellte sich sehr schnell heraus, daß es hinter der Wand einen alten Kamin oder Schacht gibt, durch den irgendwann, als die Bäder oben mal vergrößert worden sind, die Abwasserrohre geführt wurden.
Nach einer Rohrverstopfung hatte die Vormieterin des jungen Paares von ganz oben mal einen Rohrreinigungsdienst gerufen, der mittels der berühmten Spirale das Rohr bis in den Keller durchgestoßen und von der Verstopfung befreit hatte.
Dabei schlägt wohl aber der Fräskopf in rotierenden Bewegungen gegen die Rohrwände und an einer Stelle muß dabei das Rohr an einem Knick kaputtgegangen sein.
In der Folge war dann seit langem schon das Abwasser in dem Schacht immer auf- und abgestiegen. Spülte jemand die Toilette oder ließ Badewasser ab, lief das durch das Rohr bis zum Loch, dort hinaus in den Schacht, der sich dann bis über unser Ladenlokal hoch mit dem Abwasser füllte und nur was über diesen Pegel hinausging, lief wieder in das Rohr und dann in die Kanalisation.
Das bedeutet, daß hinter der Wand in diesem Schacht bis runter in den Keller eine etwa 6 Meter hohe Säule an Wasser und Fäkalien gestanden haben muss.
Allmählich ist dann das Wasser irgendwo im Fundament verschwunden, bis wieder jemand ordentlich gespült hat.

Eigentlich ein Wunder, daß da nicht vorher schon irgendwo irgendwas herausgekommen ist.

Die Sanierung wird wohl heftig werden und dauern.
Ich muß mit meiner Frau reden, aber derzeit kann ich mir nicht vorstellen, die Filiale zu behalten.


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