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Channel: Bestatterweblog Peter Wilhelm
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Günther -XLII-

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Staatsanwälte sollten im besten Fall sowohl alle Punkte die gegen einen Verdächtigen sprechen, als auch alle Punkte, die für ihn sprechen, gleichermaßen berücksichtigen. Daß das manchmal nicht so ist, weiß jeder.
Im Falle des Ehepaars Birnbaumer-Nüsselschweif war das auch nicht so. Doch hier hatte der Staatsanwalt keine Vorverurteilung parat und ließ die entlastenden Aspekte außer acht, sondern er stauchte die Beamten, die die Ermittlungen gegen das Ehepaar angestoßen hatten, in übelster Weise zusammen.

Eine Frau von so untadeligem Ruf, ein Mann von so selbstloser Art, beide geachtete Mitglieder der Gesellschaft, sie ausgezeichnet mit staatlichen Würden, beide immer aufopfernd und nachgerade selbstverstümmelnd um das Wohl ihrer Mitmenschen bemüht…
…nein, solchen ehrenwerten Bürgern dürfe “das präpotente Gequatsche pubertierender Mädchen, die sich in Hormonüberfluß Räuberpistolen zusammenphantasieren” nicht zum Nachteil gereichen.
Kein Ermittlungsverfahren, keine Anklage, kein Presserummel.

Frau Birnbaumer-Nüsselschweif und ihr als Saftwurst bezeichneter Mann, konnten froh sein, so glimpflich davon gekommen zu sein.
”Du hättest mich eiskalt hingehängt und mir alles in die Schuhe geschoben”, maulte er, als die beiden das Polizeipräsidium verließen.
”Du bist und bleibst ein Waschlappen”, schnaubte die Dicke, nicht vor Zorn schnaubend, sondern weil ihr das Treppenlaufen zu sehr zu schaffen machte. “Wenn ich nicht auf diesen genialen Schachzug gekommen wäre, hätten die Dich doch sowas von durch die Mangel gedreht, Du hättest am Ende noch blödes Zeug gequatscht!”


”Das mußt Du mir aber mal in einer ruhigen Minuten genauer erklären, Luitgard! Die hätten mich doch gerade wegen Deiner Anschuldigungen durch die Mangel gedreht, wenn nicht ausgerechnet die Frau von Staatsanwalt Dr. Möllsing eine der Hauptgönnerinnen Deines Afrika-Projektes wäre!”

”Ach, halt doch den Mund! Sei lieber froh, daß es so ist und daß man uns in Ruhe läßt. Ich habe mir schließlich wirklich nichts vorzuwerfen. Wie kann es strafbar sein, wenn man sich ob seiner Mutterliebe bis hin zur absoluten Selbstaufgabe quasi entleibt? Und Du? Du kleiner Spritzpinsel? Du hast doch wieder nur mit Deinem Ding gedacht! Männer!”

Etwa zur gleichen Zeit, als sich das eben freigelassene Ehepaar vor dem Präsidium ein Taxi nahm, wurden Ute und Monika in einem anderen Teil des Gebäudes befragt. Gemeinsam mit einer Psychologin und Frau Ströttinger und Herrn Sack saßen sie in einem Zimmer, das vor einigen Jahren als kindgerechtes Vernehmungszimmer eingerichtet worden war. Anhand von “anatomisch korrekten Puppen”, was nichts anderes bedeutet, als daß diese Stoffpuppen Geschlechtsteile und Schambehaarung aus Wolle haben, wurde aufmerksam kontrolliert, in welcher Weise die Mädchen damit umgingen.
Monika langweilte sich dabei und legte die ‘Spielzeuge’ bald schon weg. Ute fand sowieso, daß das Zimmer eingerichtet war, wie das Spielzimmer eines Vorschulkindergartens und fühlte sich ziemlich deplaziert.
”Wann dürfen wir denn zu unserem Papa”, fragte sie und die Erwachsenen schauten sich ratlos an.

”Tja, das ist so eine Sache”, begann Frau Ströttinger, “Euer Papa liegt mit einem Herzanfall im Krankenhaus und darf nicht aufgeregt werden. Wir können Euch kurz mal zu ihm bringen, aber dann…”

”Wir gehen nicht ins Heim!” schrieb Monika auf und rannte zu ihrer Schwester, um sie beschützend in den Arm zu nehmen.

”Nein, nein, davon ist ja auch keine Rede”, versuchte die Frau vom Jugendamt die Mädchen zu beruhigen. “Wir müssen nur irgendeine Lösung finden.”

”Nicht ins Heim!” rief nun auch Ute.

Herr Sack warf seiner Kollegin einen Blick zu, der eine Mischung zwischen vorwurfsvoll und mitleidig war.
Er ging zu den Mädchen hinüber und tat etwas, was Ute und Monika in gewisser Weise gefehlt zu haben schien, er nahm sie einfach beide in den Arm und drückte sie an sich. “Keine Angst, ihr braucht keine Angst zu haben, Euch passiert nichts. Es ist schon zu viel passiert und ich werde Euch beschützen.”
Den Mädchen liefen dicke Tränen über das Gesicht und sie klammerten sich förmlich an den für sie ja an und für sich fremden Mann. Er war in diesem Moment ihre einzige Hoffnung.

”Wir gehen am besten mal raus!” kommandierte Frau Ströttinger spitz und warf ihrem Kollegen einen strengen Blick zu.

Vor der Tür stellte sie ihn zur Rede: “Und nun? Was jetzt? Wie kann man den Mädchen denn irgendwas versprechen? Von allen guten Geistern verlassen, oder was? Die Vorschriften sind doch ganz klipp und klar. Wir haben gar keine andere Wahl, als die Mädchen vorübergehend unterzubringen. Und mit zu uns nach Hause nehmen? Das würde ich mir ganz schnell aus dem Kopf schlagen!”

”Nee, alles gut. Aber statt ins Heim, könnten wir die beiden doch zu den Krabutzkis bringen.”

”Zu den Krabutzkis? Also doch nun wirklich nicht! Was da für Zustände herrschen! Voll die Chaosfamilie, Messies, bei denen es drunter und drüber geht.”

”Ja klar, aber immerhin haben die sechs Pflegekinder durch uns. So schlimm kann es also nicht sein.”

”Aber das ist ja genau der Grund, die haben schon sechs.”

”Und? Die hatten auch mal sieben und ich kenne Frau Krawutzki! Die ist absolut liebenswürdig und die kümmert sich wenigstens um ihre Pfleglinge.”

”Bis wir denen wieder ein Kind abnehmen müssen… Aber okay, vielleicht ist die Idee ja doch nicht so schlecht. Gut, wir sprechen mit Ute und Monika darüber.”

Und genau zu derselben Zeit, als die Birnbaumer-Nüsselschweifs mit dem Taxi zu ihrem Wochenendhaus unterwegs waren, um ihren immer noch dort stehenden Wagen abzuholen; und da Monika und Ute sich an den Händen haltend und mit ängstlichen Blicken in das Haus der Familie Krawutzki gebracht wurden, kam ich wieder ins Spiel.

Ich betrat Günthers Zimmer im Krankenhaus.

”Mensch, Günther, was machst Du denn für Geschichten?” rief ich ihm zum Gruße zu, etwas Blöderes war mir nicht eingefallen. Günther hatte bei uns angerufen und um einen Besuch gebeten, sofort und schnell, wenn’s ginge.

”Ja, da staunste, was? Die Pumpe, der Kreislauf!” rief er, klopfte sich vorsichtig auf die Brust, aber sein Lachen und das Funkeln seiner Augen zeigten, daß es ihm so schlecht, wie ich befürchtet hatte, nicht ging.

Tja, Günther und ich hatten uns über die Zeit, seit dem Tod seiner Frau und der Bestattung seines Mitbewohners Leo näher kennen gelernt. Ich hatte ihn ein paar Mal in der neuen Villa Kunterbunt besucht, ihm ein paar Sachen gebracht, zum Beispiel einen elektrischen Heizlüfter, eine Kaffeemaschine und sonst noch etliches.
Er hatte sich nie etwas schenken lassen wollen und war ein paar Mal bei uns in der Firma gewesen, um das abzuarbeiten. Er schraubte ein bißchen an den Autos, räumte das Lager auf und ging Manni auch sonst ein bißchen zur Hand.
Mir war das immer sehr recht gewesen, gab mir das doch Gelegenheit, ihm anschließend etwas Geld in die Hand drücken zu können. Auch da wehrte er sich, aber ich sagte immer: “Das muß ich machen, sonst krieg ich Ärger mit dem Finanzamt, wegen Schwarzarbeit und so.”

Manchmal hatten wir Stunden zusammen gesessen und gequatscht, aber das ist eine völlig andere Geschichte, die hier nur erklärend einfließen soll und verdeutlichen kann, woher ich die Geschehnisse um Günther so genau kenne.
Um die Wahrheit zu sagen: Er war über viele Jahre, ja fast anderthalb Jahrzehnte, mein bester Freund gewesen und Monika, Ute und Thomas kenne ich ebenso gut.
Es soll dies aber nicht die Geschichte von dem begüterten Bestatter sein, der einen nahezu mittellosen Mann und seine Kinder unterstützt hat, es würde wirken, als wolle ich mich als Wohltäter darstellen.
Das hier, das ist die Geschichte von Günther, dem alles, was ich hier aufgeschrieben habe, wirklich so widerfahren ist.
Manches mit etwas anderer Nuancierung, manches sicher etwas spannender aufbereitet, um schöner erzählt werden zu können, aber alles sehr nahe an der Wirklichkeit orientiert.
Und – Günther hat mir die Geschichte in allen Einzelheiten erst neulich ganz zu Ende erzählt.

Sagte ich schon einmal, daß ich sein moselfränkisches Gestammel hier mühsam zu flüssigen Sätzen zusammenbaue? Ja, das sagte ich schon einmal.

Und nun?
Nun hängen da ein paar an der letzten Klippe. An einer Klippe, die uns seit Juli 2011 (!) quält. Euch und mich!

Aber es muß noch einiges erzählt werden, in der letzten, finalen, endgültigen Abschlußfolge.
Was ist mit den Birnbaumer-Nüsselschweifs danach geschehen?
Wie ist es den Kindern ergangen?
Ist Thomas wieder zu Günther zurückgekommen?
Wurde der Mörder von Günthers Frau irgendwann doch noch gefaßt?

Ja, darauf weiß ich die Antworten!

Seid gespannt! Die finale Folge kommt; und sie kommt bald und Günther kommt als Podcast, der ganze Günther. Als Dankeschön fürs Mitfiebern und Cliffhangen.


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