Was sich jetzt so in 20 Episoden oder so erzählen läßt, dauerte über Monate, ja fast zwei Jahre an. Um erzählt werden zu können, muß es verdichtet werden. Rückblickend kommt mir diese Zeit mit Heiner und Lizzy mal wie Jahre vor, mal scheint es, als habe sich das alles in nur wenigen Tagen zugetragen.
Dieses Wechselbad der Gefühle, in das die beiden mich von einem zum anderen Male stießen, läßt sich mit Worten kaum beschreiben.
Eben himmelhoch jauchzend, dann wieder zu Tode betrübt. Eben dankbar und zu Tränen gerührt, dann wieder aufmüpfig, beleidigend, undankbar und herabwürdigend.
”Nix, das findet nicht statt, ohne uns!” schnaubte Heiner ins Telefon und nur mit Mühe ließ er sich dazu bewegen, mich noch am selben Abend aufzusuchen.
Er und Lizzy waren so schnell da, daß ich heute rückblickend vermute, die beiden haben unten um die Ecke in einer Telefonzelle gestanden.
Trotzig hatte er die Arme vor der Brust verschränkt, sie schürzte schmollend ihre schmalen Lippen. “Ohne den Film gehen wir nicht!”, sagte sie.
”Ach Gott! Der Film!” entfuhr es mir. Die DVD hatte seit Tagen bei mir auf dem Tisch gelegen, ich hatte sie im ganzen Trubel vergessen…
”Ich habe doch den Film!” rief ich, lief schnell ins Büro und holte die Scheibe: “Hier ist er!”
”Ja, und dann isser nachher nix und das ist jetzt sowieso alles zu spät und wir haben ja schließlich auch einen künstlerischen Anspruch, wir lassen sowas nicht mit uns machen, wir sind ja Profis und immer wieder haben wir es nur mit Dilettanten zu tun!”
Wortlos schob ich den Film in das Abspielgerät und drückte die ON-Taste der Fernbedienung.
Musik, Vorspann, Erste Szene…
Ruhe im Wohnzimmer, atemlose Ruhe. Die 18 Minuten vergehen, ohne daß man auch nur einen Atemzug wahrgenommen hätte.
…Musik, Abspann, Ende.
Ich schaue mich um. Heiner weint, Lizzy heult, die Allerliebste hat rote Äuglein.
”Danke, Vadda, danke”, stammelt Heiner: “Entschuldigung, ich muß mich so entschuldigen, das ist ja soooo schön geworden, sooooo suuuuuper schööööön.”
Lizzy Hiller meinte schniefend: “Siehste Heiner, hab ich doch gleich gesagt…”
Die Allerliebste ließ eine Flasche Sekt springen, ich blieb lieber bei meinen Kaffee.
Extase ist fast zu gering, um den aufgekratzten Gemütszustand der beiden “Künstler” zu beschreiben.
Bis um drei Uhr morgens ging das, dann machten sich die zwei auf den Heimweg. Heiner meinte, milde lächelnd: “Noch eine Mütze voll Schlaf und dann fahren wir ins Sauerland. Das wird ein toller Auftritt. Wir, Musik vom Band, der Film, klasse!”
Etwas entnervt ließ ich mich in meinen Sessel fallen, als die beiden gegangen waren. “Gell, die sind anstrengend, oder?” fragte die Allerliebste überflüssigerweise.
Am nächsten Morgen packten auch wir unsere Sachen und ich hatte unser Auto gerade vollgeladen, da klingelt mein Handy.
Lizzy ist am anderen Ende und sagt: “Du mußt mit dem Heiner reden, der fährt keinen Meter weiter!”
”Wo seid ihr denn?”
”Auf halbem Weg ins Sauerland auf der Raststätte Pflockenwiel. Der Heiner weigert sich aufzutreten, der ist stinkesauer.”
”Was hat er denn jetzt schon wieder?”
Heiner übernahm den Hörer auf der anderen Seite: “Was ich habe? Ich werde von Dir hier über den Tisch gezogen und Du fragst, was ich habe?”
”Wer zieht dich den über den Tisch?” fragte ich und seufzte.
”Du!”
”Mit was denn jetzt schon wieder?”
”Mit den Schlüsselanhängern!”
”Mit was?”
”D E N S C H L Ü S S E L A N H Ä N G E R N !”
”Ach, Du meinst diese kleinen Särge, die Du mir geschenkt hast?”
”Geschenkt? Ja, siehste, da isses wieder! Ich meine es gut und dann werde ich abgezockt. Geschenkt! Daß ich nicht lache! Die waren nicht geschenkt, sondern eine Geschäftsidee von mir! Ich habe Dir die vorgestellt, damit Du die eventuell in größerer Menge bei mir bestellst und die an Deine Kunden verteilst. Aber Du hast ja schon fleißig angefangen die Dinger einfach zu verschenken, so als ob die Dir gehören würden. Frechheit sowas, das kocht schon die ganze Zeit in mir, jetzt kommt mir das alles erst hoch, jetzt wird mir das alles erst bewußt, jetzt begreife ich das alles erst, jawoll!”
”Du, ich habe genau vier Stück davon verschenkt. Meine Güte! Wenn Du die anderen wiederhaben willst, steht dem nichts im Wege. Ein paar kaufe ich Dir auch ab, die sind doch schön. Aber ich wußte doch gar nicht, daß Du die verkaufen wolltest. Ich dachte, die wären ein Geschenk.”
”Ja, schon fett wie die made im Honigtopf sitzen und dann immer noch mehr haben wollen!”
”Jetzt komm mal wieder runter! Was soll das denn jetzt? Gestern Abend haben wir noch gefeiert und ihr habt einen tollen Film im Gepäck und jetzt machst Du so ein Theater!”
”Okay, Du hast Recht! Wir sind Profis! Wir fahren da jetzt hin, ziehen unser Ding durch und dann sehen wir weiter!”
Jau.