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Meine Angst vor dem Tod

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Hallo zusammen..
Ich bin zufällig auf diesen Blog hier gekommen und dachte mir ich schreib auch mal was dazu.
Und zwar geht es hier um die Angst, zu sterben.
Ich habe fürchterliche Angst vor dem Tod. Aber das auch erst seitdem meine Oma von uns gegangen ist.
Vor einigen Jahren ist meine liebevolle Oma an Krebs gestorben.
Man konnte wirklich nichts mehr machen, sie war im Endstadium. Der Krebs hatte schon überall Metastasen gebildet. Das hiess, sie hatte nur ein halbes Jahr zu leben und genau das hat auch gepasst. Leider.
Mir wurde dies erst nicht erzählt das sie Krebs hatte da ich erst 11 war.
Irgendwann wurde mir aber doch erzählt das sie an Krebs leidet, jedoch habe ich mir als Kind natürlich noch keine Gedanken darüber gemacht, wie es wohl enden würde.
Nein, ich war noch immer der festen Überzeugung , dass meine Oma 100 Jahre alt wird.
Ich hab es früher schon gehasst wenn meinen Großeltern mir erzählt haben, was ich machen soll wenn sie mal nicht da sind. Aber nein daran wollte ich nie denken und habe ihnen so gesehen immer versprochen, dass sie mindesten 100jahre alt werden, wenn nicht mehr.
Jedoch habe ich Tag für Tag, Woche für Woche mitbekommen, wie schlecht es meiner Oma ging. Ihre Hautfarbe wurde gelblich, das Bewegen, Sprechen und Atmen fiel ihr nicht mehr leicht. Zahlreiche Verwandte kamen zu Besuch, um ihr noch eine wunderbare Zeit zu wünschen.

Jedoch hat es bei mir langsam ‘klick’ gemacht und ich wusste “das werden die letzten Wochen die du mit deiner Oma verbringen wirst”.
Ich habe mich jeden Abend in meinem Zimmer eingesperrt, das direkt neben dem Wohnzimmer war, in dem ihr Sterbebett stand.
Dort hatte ich ein kleines Bild von ihr und mußte immer sofort weinen, wenn ich es anschaute.
Dann kam der Tag, an dem ich sie das letzte Mal lebend sehen durfte. Ich streichelte ihr einmal um das Gesicht, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und flüsterte ihr “ich hab dich lieb..danke das es dich gibt” ins Ohr.

An den letzten Tagen musste man ihr sogar Flüssigkeit in den Mund sprühen damit sie nicht austrocknet, so wurde mir es gesagt.
Meine Oma war sehr gläubig und hatte keine Angst vor dem Tod. Auch mich zog sie darein. Jedoch hat sich bei mir alles danach geändert.
Zwei Tage nach dem sie tot war, habe ich sie in der Leichenhalle besucht.
Es ist zwar erschreckend zu wissen, man wird eine Leiche sehen und diese Leiche ist auch noch deine Oma, mit der du tagtäglich Spass hattest. Diese Frau hat dich großgezogen…
Und ich hatte panische Angst davor diese Halle betreten zu müssen. Jedoch wusste ich, tue ich es nicht, dann werde ich es bereuen. Also ging ich hinein, ich sah wie sie in einem offenen Sarg lag, den Kopf zu uns gerichtet. Im Zimmer war es unglaublich kalt. Ich schaute erst auf den Boden und dann langsam in Richtung Kopfhöhe. Auf ihren Lippen war ein kleines Lächeln zu sehen.

Ihre Augen sahen eingefallen aus und lagen tief in den Höhlen, ihre Hautfarbe war ockergelb, könnte man sagen.
Ich wollte nur einen Schritt in den Raum gehen, um ihr einen Kuss zu geben und ihr einen Brief hinzulegen), aber dazu kam es nicht, ich brach zusammen und lag auf dem Boden.
Meine Tante hob mich auf und brachte mich nach draussen.
Ich hatte einen Nervenzusammenbruch. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich so was. Und auch danach nicht mehr.

Soviel mitzubekommen und zu wissen das man trotz Glauben an Gott qualvoll sterben kann, hat mich verunsichert. Mir wurde nämlich erzählt das meine Oma erstickt ist. Sie war nur etwas über 60.
Nun ist das schon einige Jahre her und ich habe durch all diese Geschehnisse eine unglaubliche Angst vor dem Tod entwickelt, ich möchte nicht eines Tages so qualvoll enden wie sie.

Ganz herzlichen Dank dafür, daß Du Deine Erlebnisse uns Ängste mit uns teilst. Aus der Anrede “Hallo zusammen” entnehme ich, daß Du diese Zeilen nicht nur an mich persönlich, sondern eher an ‘den Blog’ gerichtet hast.
Dennoch habe ich einige der persönlichen Daten weggelassen.

Ich kann Dir die Angst vor dem Tod nicht nehmen. Sie ist normal, denn dieses Leben ist das einzige, das wir kennen und von dem wir definitiv wissen, daß es stattfindet. Ob wir vorher schon existiert haben oder nachher noch weiter existieren werden, kann nur eine Frage des persönlichen Glaubens sein. Da Du ein gläubiger Mensch bist, würde ich Dir vorschlagen, mit einem Priester bzw. Seelsorger über diese Thematik zu sprechen. Er kann Deinen Glauben an und Deine Zuversicht auf eine Weiterexistenz nach dem Tode vielleicht stärken.
Hierüber braucht es auch keine entsprechenden Kommentare, denn der persönliche Glaube ist deshalb etwas Heiliges, weil er zu den persönlichsten Dingen gehört, die man hat, das ist definitiv nicht diskussionswürdig.

Daß Deine Oma so leiden mußte, ist sehr traurig. Krebs ist eine schlimme Erkrankung und es kann, trotz der Gabe schmerzstillender Mittel, zu einem sehr schmerzvollen Verlauf und zu einem durchaus qualvollen Tod kommen.
Eine ganz wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Palliativstationen der Krankenhäuser und Hospize. Es kann durchaus sinnvoll sein, den Wunsch, zu Hause sterben zu wollen, hintenan stehen zu lassen und eine Versorgung in einer solchen Einrichtung vorzuziehen. Dort wird alles getan, um ein möglichst leidenfreies Sterben zu ermöglichen. Niemand muß unter großen Schmerzen und Qualen sterben.

Daß Deine Oma erstickt ist, klingt sehr brutal. Aber am Ende eines Lebens, wenn die Organe angegriffen sind und nach und nach ihren Dienst versagen, ist es immer ein Organ, daß dann zuerst seine Funktion einstellt. Wenn dies im Bereich der Atemorgane liegt, ist eben die letztliche, auswirkende Todesursache u.U. auch ein Ersticken. Die gelbe Hautfarbe zeigt aber, daß vor allem die Leber stark betroffen war und eine Entgiftung des Blutes nicht mehr stattfand.
Ich habe so viele Menschen sterben sehen und deren Sterben begleitet, daß ich weiß, daß bei schweren Erkrankungen der Körper irgendwann aufzugeben scheint, sich gegen die Erkrankung zu wehren.
Hier haben die Angehörigen oft den Eindruck, der Patient habe die Krankheit quasi über Nacht schlagartig überwunden, denn er zeigt auf einmal viel mehr Anteilnahme am Leben, scheint wieder agiler und fitter zu sein.
Jedoch ist das nur die Folge davon, daß nun die Kräfte, die vorher anders gebunden waren, frei geworden sind.
Meistens, so habe ich es dutzendfach erlebt, folgt dann der Tod umso schneller.

Was in Deinen Erinnerungen bleiben sollte, das ist das Lächeln auf den Lippen Deiner Oma.

Liebe Leserinnen und Leser,
ich finde diese Einsendung sehr persönlich und bin dankbar, daß die Leserin uns ihre Geschichte erzählt hat.
Was habt Ihr dazu zu sagen? Welche guten Gedanken habt Ihr mit der jungen Frau zu teilen?

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