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Channel: Bestatterweblog Peter Wilhelm
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Sind wir doch mal nicht kleinlich

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Im Laufe der Jahre sind viele Mitarbeiter durch mein Unternehmen gegangen.
Eigentlich bin ich stolz darauf, daß meine Stammbesatzung beinahe Ewigkeiten bei mir beschäftigt war und nie einer gekündigt hat, weil es ihm nicht mehr gefiel.
Aber beim Fahrpersonal hat man immer eine gewisse Fluktuation, weil man gerade im Bereich der Aushilfsfahrer oft auf diejenigen zurückgreifen muß, die von anderen Unternehmen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt wurden.
Von ein paar Pflänzchen aus diesem Teil der Beschäftigungsbotanik habe ich ja schon erzählt (Siehe die Henning-Geschichte oder der berühmte Herr Sommerfeld).

Einmal hatten wir einen Herrn Fuchs. Immer ein Grinsen auf den Lippen, das bei ihm zur Physiognomie gehörte und keinerlei Ursachen im Frohsinn hatte, und ansonsten stets freundlich und arbeitsam, ist mir der Mann nie weiter aufgefallen.
Er erledigte seine Fahraufträge, schrieb seine Stunden auf den Zettel, kam am Monatsende zum Kassieren und das war’s dann auch schon.
Eher unauffällig.

Eines Tages, ich poliere gerade mal wieder meine Goldbarren im fußballfeldgroßen Tresor hinter der Geheimtür meines Büros, klopft es an der Tür, ich rufe ‘Herein’ und Herr Fuchs steht in meinem Büro.

“Sie, Chef, tschulligung dassisch stör’, aber ich bräuscht heut mein Geld mal bar. Geht das?”

Dabei wedelt er mit seinem Stundenzettel herum und grinst.
Normalerweise rechnet Frau Büser das immer alles aus und überweist es dann. Aber gut, wenn er das Geld dringend braucht, kann ich es ihm auch bar auszahlen.

“Kein Problem”, sage ich und nehme den Zettel in Empfang.

“Ja, Chef, is’nich’ viel, kommt ja noch was dazu diesen Monat, aber die paar Stunden könnense ma’ abrechnen.”

Ich rechne, tippe das auch noch in meine Rechenmaschine ein und komme auf 150 Euro.
In meinem Geldbeutel habe ich 240 Euro und frage Herrn Fuchs deshalb, ob er wechseln kann. Nee, kann er nicht.
Also stehe ich vor der Frage, ob ich ihm 140 Euro anbiete oder 200 Euro gebe.
Ich entscheide mich für die 140-Euro-Variante. “Hier, ich hab’s nicht anders, ich kann Ihnen so auf die Schnelle nur 140 Euro geben.”

Herr Fuchs legt den Kopf etwas auf die Seite, grinst jovial und winkt ab: “Aber Chef, das macht doch nix. Auf nen Zehner kommt’s net an. Den lassen wir einfach mal. Sind wir doch mal nicht kleinlich. Ich schreib auch immer ‘ne halbe Stunde mehr auf, wenn ich den Stundenzettel schreib’.”

So, und nun?

Der Mann hat ohne jegliches Unrechtsbewußtsein mal eben so zugegeben, daß er mich seit Jahr und Tag um Geld beschissen hat.
Mal grob überschlagen machen mal hier ne halbe Stunde, mal da ne halbe Stunde über die Jahre leicht mal tausend Euro aus.

Was soll man mit so einem machen?


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