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Channel: Bestatterweblog Peter Wilhelm
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Was macht der Bestatter, wenn mal keine Leute sterben?

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warten-pixabayInteressante Frage.

Betrachten wir es zunächst einmal von der langfristigen Seite:

Es ist so ähnlich, wie bei Aktien. Aktienguru André Kostolany sagt sinngemäß, die richtige Methode, um mit Aktien reich zu werden, sei es, Aktien zu kaufen, sich dann zehn Jahre schlafen zu legen und anschließend über den Gewinn zu freuen.
Das bedeutet: Am Ende einer längeren Zeit wird man guten Gewinn gemacht haben, wenn man sich von den Aufs und Abs der tagesaktuellen Entwicklungen nicht beeindrucken läßt.

Ganz ähnlich ist das im Bestattungsgewerbe auch. Wer ein solches Unternehmen aufmacht, und hofft, er könne binnen kurzer Zeit reich werden, der hat sich getäuscht. Ein Bestattungsunternehmen erfordert durchaus ansehnliche Investitionen und die müssen ja erst einmal verdient werden. Da es immer wieder Zeiten gibt, in denen weniger Aufträge hereinkommen, muß man diese Zeiten überbrücken können. Langfristig gesehen sind das Zeiten, die durch demographische Entwicklungen verursacht werden (Kriegsnachwirkungen, steigende Lebenserwartung, Konkurrenzdruck, Wegzug etc.).
Es kann also vorkommen, daß der Unternehmer über einen Zeitraum von Monaten bis Jahren nicht die erforderliche Anzahl an Sterbefällen erreicht, um ausreichend gewinnbringend arbeiten zu können.
Das trifft oft auch auf Bestatter zu, die im ländlichen Bereich arbeiten, wo die Bevökerungszahl und -struktur nicht mehr Sterbefälle hergibt.

Entweder hat man sich bis dann schon ein gewisses Polster angespart, um auch schlechtere Zeiten zu überbrücken, oder man wird in Schwierigkeiten geraten.
Das ist mit ein Grund dafür, weshalb in ländlicheren Gebieten, das Bestatterhandwerk in der überwiegenden Zahl der Fälle als Nebengewerbe von holzverarbeitenden Betrieben ausgeübt wird. Hier ist die Holzverarbeitung das Hauptstandbein des Unternehmens.

Hat man sein Unternehmen gut positioniert und die schlechteren Zeiten einkalkuliert, etwa auch indem man nicht zu viel Personal fest eingestellt, sondern viele Aushilfskräfte auf Abruf hat, wird man zwar die Höhen und Tiefen miterleben, aber unterm Strich, so wie Kostolany das prophezeit hat, seinen Schnitt machen. Denn eins ist eine ebenso wahre, wie abgegriffene Binsenwahrheit: Gestorben wird immer.

In Hinblick auf die gestellte Frage, die sich sicherlich auf die kurzzeitigen auftragslosen Zeiten bezieht, muß man sagen:

Als Bestatter kann man nur ganz schlecht vorausplanen. Man weiß nie, was einem der nächste Tag oder die nächste Woche bringen wird.
Grundsätzlich weiß man in etwa, wie viele Menschen pro Jahr sterben. Anhand der Bevölkerungszahl des bearbeiteten Gebietes kann man grob abschätzen, wie viele Sterbefälle da etwa jährlich anfallen.
Hat man ein Einzugsgebiet, in dem vorwiegend ganz junge Familien wohnen, muß man Abstriche machen; sind viele Krankenhäuser und Altenheime angesiedelt, darf man etwas mehr erwarten.
In Bezug darauf muß man natürlich wissen, wie viele Konkurrenten es gibt und wie diese am Markt positioniert sind.
Daraus ergibt sich eine Zahl an Sterbefällen, deren Bearbeitung man höchstwahrscheinlich übernehmen werden darf.

Weiter weiß man, daß in der Regel im Sommer etwas weniger gestorben wird, als im Winter. Hierfür sind mehrere Faktoren verantwortlich, die schön mehrmals im Bestatterweblog besprochen wurden. Hier nur kurz gesagt sei, daß es im Winter mehr Erkrankungen durch Infektionskrankheiten gibt und das Immunsystem bei Älteren oft geschwächter ist, als im Sommer.

Aus diesem Grundwissen um örtliche Sterbezahlen und jahreszeitliche Unterschiede kann man eine grobe Vorstellung entwickeln, was an Aufträgen auf einen zukommen wird.

Nun läßt sich aber Gevatter Tod nicht in die Karten gucken. Nicht nur vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand, sondern auch als Bestatter ist man von den Unwägbarkeiten des überraschend arbeitendes Bruder Hein abhängig.
Das ist durchaus mit der Feuerwehr vergleichbar. Mal brennt es dreimal in einer Nacht, mal zwei Wochen gar nicht.

Watt dem einen sin Uhl, is dem annern sin Nachtijall…

Da sitzt du also in deinem Bestattungshaus, hast drei, vier Angestellte, der Rest ist Gott sei Dank nur auf Aushilfsbasis beschäftigt, hast ein gut gefülltes Warenlager, gut geölte Werkzeuge und ein frisch betanktes und gewaschenes Bestattungsfahrzeug und das Telefon klingelt einfach nicht. Es ruft keiner an. Es stirbt keiner. Manchmal sind die Seiten mit den Todesanzeigen in der Zeitung tagelang leer, dann weißt du, daß im Moment mal wieder Ebbe ist und Schlafes Bruder woanders am Werk oder in Urlaub sein muß. Aber manchmal sind die Seiten mit den Sterbeanzeigen voll, dann weiß du, daß die Leute lieber bei der Konkurrenz angerufen haben.

Nun, für den Inhaber und die festen Mitarbeiter eines Gewerbeunternehmens macht es nichts aus, wenn das rein operative Geschäft zeitweise etwas lahmt, denn es gibt immer genug Verwaltungsarbeit zu tun, von der Buchhaltung über die Bilanz bis hin zur Steuererklärung und von Wareneinkauf, über Messe- und Vortragsbesuche bis hin zum Aufräumen und Streichen der Geschäftsräume.
Und dennoch können solche Brückentage lang werden, irgendwann kann man keine Steuerzahlen mehr sehen, irgendwann ist alles zum zwanzigsten Mal frisch gestrichen und dann sitzt du da.

Wir haben beispielsweise oft Karten gespielt, die Männer in der Werkstatt haben mit einer Wii oder Playstation gespielt, Filme geguckt und Blödsinn gemacht.
Ein ganzes Unternehmen läuft im Leerlauf, muß aber auf Betriebstemperatur gehalten werden, denn so lange eine solche Zeit der Ebbe auch dauern mag, du weißt nicht, wann die Flut kommt, denn der Sensenmann zieht keine so gleichmäßige Bahn, wie unser Mond.
Gerade denkst du, es geht bald nicht mehr weiter, die Rechnungen stapeln sich, du fragst dich immer öfters, ob sich das Ganze überhaupt noch lohnt, dann klingelt das Telefon und alles muß binnen Sekunden vom Leerlauf auf Volldampf hochgefahren werden. Eben hast du das Telefon aufgelegt und die gut geölte Maschinerie kommt in Gang, da klingelt es schon wieder. Du denkst, ach die Leute haben was vergessen und rufen nochmal an, doch es ist ein weiterer neuer Sterbefall und du mußt schon schauen, wie du zwei Verstorbene gleichzeitig managst.

Aber es kommt doller! Zwei Sterbefälle gleichzeitig, das ist keine Kunst, das schafft jeder Bestatter locker. Doch es klingelt in dieser Nacht noch dreimal das Telefon. Gerade eingeschlafen, mußt Du schon wieder raus und so geht es bis zum nächsten Morgen durch.
Der ganze Betrieb rotiert, zur Stammbesatzung sind noch alle Aushilfskräfte hinzugestoßen. Man benötigte drei Arme, um mit drei Apparaten gleichzeitig telefonieren zu können, man bräuchte noch zwei Leute, die helfen.
Die Angehörigen der unterschiedlichen Verstorbenen geben sich die Klinke in die Hand, du führst ein Beratungs-/Verkaufsgespräch nacheinander.
Am Ende des Tages überschlägst du die Zahlen und bist zufrieden. Wieder einmal hat es sich gezeigt, daß Kostolany Recht hat.
Unterm Strich lohnt es sich.


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