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Channel: Bestatterweblog Peter Wilhelm
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Hey, Alter, wohin mit den Kippen?

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Meine Fresse, heute ist Dein Todestag. Keine Ahnung, warum ich mir den in den Kalender geschrieben habe. Nächstes Jahr, am 5. Februar, da wärst Du 100 Jahre alt geworden.
Mitten im Ersten Weltkrieg wurdest Du geboren, im zweiten Krieg hätten sie Dich beinahe verheizt. Nur knapp hast Du die Front überlebt, um dann in Gefangenschaft zu geraten.
Ich höre heute noch die Geschichte in meinem Ohren, wie Du aus der Gefangenschaft weggelaufen bist und Dich zu Fuß bis nach Hause durchgeschlagen hast. Sonst hast Du ja nie was vom Krieg erzählt, wie so viele andere Männer auch.

Und dann? Dann hast Du Dich, ausgemergelt von Krieg, Gefangenschaft und Flucht, bei der Zeche gemeldet und bist unter Tage gegangen. Und da wurdest Du verschüttet und bangtest um Dein Leben, einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang, bis sie Dich schwer verletzt herausgezogen haben. Tja, Du wärest nicht Du, wenn Du damals hingeschmissen hättest, stattdessen bist Du zur Grubenrettung gegangen und hast viele andere Kumpels aus ebensolchen und noch viel schlimmeren Situationen befreit.

Ich war noch klein, als Du den 90 Kilo schweren Kohleofen bei der Tante abgeholt und auf dem Rücken sechs Kilometer nach Hause getragen hast. Wie stark warst Du eigentlich? Hammer!
Aber gut, Du bist auch mit 60 Jahren noch auf Bäume geklettert…

Ich könnte nicht tapezieren, klempnern und Kabel legen, hättest Du mir das nicht alles beigebracht. Danke dafür!
Aber ganz besonders dankbar bin ich für diese kleinen Dinger, die Du mir mitgegeben hast, Deine Gene. Diese Gelassenheit, die innere Ruhe und die Kraft, immer dann besonders klar zu denken, wenn andere in Aufregung geraten.

Weißt Du, was mich so stolz macht?
Ich wollte nämlich immer so sein wie Du, so werden wie Du.
Und heute sagen mir manchmal die Leute, ich sei so. Das finde ich gut, richtig gut!

Ich bin ja immer auf den Friedhof gegangen und hab Dir ne Schachtel Zigaretten hintern Grabstein gelegt.
Geht ja nu‘ nicht mehr, Grab und Stein sind lange weg.

Ich habe eine Schachtel von Deiner Sorte gekauft; ich glaub ich mach nachher ein Feuerchen im Garten und verbrenne sie dort. Vielleicht steigt der Rauch ja bis zur Dir.

Ach ja, ich trauere nicht mehr um Dich, dafür bist Du schon zu lange tot.
Aber an solchen Tagen wie heute, da denke ich besonders an Dich.
Ansonsten denke ich immer mal wieder an Dich und erzähle meinen Kindern von Dir.

Die wissen alle, wie toll Du warst und finden Dich auch klasse.

Bis später mal!


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