Bei den Fahrern hat man eine feste Mannschaft, die durch Aushilfen ergänzt wird. Diese Aushilfsfahrer sind im Bestattungsgewerbe ungeheuer wichtig. Es gibt kleinere Unternehmen, da fährt der Chef selbst und nimmt seinen Schwager, seinen Vater oder einen Onkel als zweiten Mann mit. Bei größeren Unternehmen funktionieren so etwas nicht mehr.
Manni, unser Fahrdienstleiter, und seine drei Kollegen können ja auch nicht den gesamten Schichtplan abdecken. Aus diesem Grund sind noch bis zu acht Aushilfsfahrer bei uns beschäftigt. Mal hat der eine Zeit und wird eingeplant, mal einer von den anderen. So ist sicher gestellt, daß immer zwei Teams in Bereitschaft sind. Eins davon ist das Team A (die nennen sich selbst A-Team) und eins ist Team B. Team A wickelt alles ab, was kommt und Team B weiß von vornherein, daß es nur in ganz außergewöhnlichen Fällen einberufen wird. Die B-Leute dürfen sich während ihrer Bereitschaft auch weiter vom Heimatort entfernen und haben auch sonst mehr Freiheiten. Wir brauchen sie nicht oft, es ist eben eine reine Sicherheitsmaßnahme im Hintergrund.
Deshalb ist es auch wichtiger, daß das Team A mit erfahrenen und guten Leuten besetzt ist. Hier fahren nie zwei Anfänger oder solche, die es nicht ganz so perfekt können. Aber im B-Team, da können schon mal zwei nicht ganz so perfekte Leute zusammenkommen.
Am Wochenende verstirbt Frau Klubankel und sie tut das ausgerechnet im 260 km entfernten P.
Dort war sie in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht und seitens dieser Einrichtung dringt man vehement auf die sofortige Abholung der Verstorbenen. Das ist uns gar nicht recht, denn am Wochenende bekommen wir keine Urkunden auf dem Standesamt und so versucht Frau Büser, die Telefondienst hat, mit Engelszungen die Pflegekräfte in P. davon zu überzeugen, daß wir am Montagmorgen gleich ganz früh kommen.
Nein, das gehe nicht, man sei auf sowas nicht eingerichtet, habe nur einen Abstellplatz für Leichen im Keller und der sei ungekühlt; und was solle man machen, wenn noch einer stirbt; und wenn wir nicht bald kommen, dann rufen sie den örtlichen Bestatter und lassen den das machen.
Ja genau, denkt Frau Büser, dann bauen wir eben auf Kollegenhilfe und bitten den örtlichen Kollegen, die Verstorbene in der Klappsmühle psychiatrischen Einrichtung abzuholen und bis am Montag einzulagern. Er soll dann auch die Beurkundung machen und im Laufe des Tages holen wir dann die Verstorbene und die Papiere ab.
Ja klar, das macht er gerne, das macht er ganz oft so, das ist ja schließlich sein Job und dafür nimmt er pauschal 700 Euro, sagt der Bestatter in P. staubtrocken. Kollegenhilfe koste bei ihm immer die Pauschale, egal ob er nur beurkundet oder auch abholen muss.
700 Euro! Das ist eine Frechheit!
Unter Kollegen rechnet man sowas zum Selbstkostenpreis ab. Vielleicht mit einem ganz kleinen Aufschlag, aber doch nicht zum vollen Preis. Schließlich kann man jederzeit selbst in eine solche Situation kommen und dann ist man auch froh, wenn man weiß, daß einem geholfen wird.
Frau Büser entscheidet sich, Team B nach P. fahren zu lassen, um die verstorbene Frau Klubankel abzuholen.
Die Männer sollen sich dann in einer Pension ein Zimmer nehmen und am Montag die Beurkundung vornehmen lassen. Das Zimmer kommt uns günstiger, als wenn da nochmals ein Fahrer nur wegen der Papiere hin und her fährt.
Team B, das sind Ralf und Rolf. Aufgrund der Namensähnlichkeit wurden sie erst firmenintern Ralfi und Rolfi genannt und irgendwie hat sich daraus zunächst Fix und Foxi und schließlich Tim und Struppi ergeben.
Tim und Struppi fahren also nach P. und brauchen wegen eines Staus auf der Autobahn fast vier Stunden für die Fahrt. Aus der Psychiatrie rufen sie dann im Büro an, um einen Zwischenstand durchzugeben.
Ja, die Papiere von der Psychatrie hätten sie jetzt, aber die Verstorbene müssten sie noch einladen, das sei aber eine sehr unangenehme Sache, denn die habe in einem Keller voller warmer Heizungsrohe gelegen und rieche sehr stark und vor allem unangenehm.
Ich hatte das Gespräch angenommen und gebe den Männern einen alten Bestattertrick weiter: "Macht ein bißchen Wick-Vaporub unter die Nase, die ätherischen Öle helfen da sehr."
Ist wirklich so, bis zu einem gewissen Grad ist es sehr hilfreich, wenn man sich etwas Wick (es kann auch das billige Erkältungsbalsam von ALDI oder etwas anderes sein) unter seine Nase macht. Die starken Dämpfe von dieser Erkältungspaste übertünchen eine kurze Zeit alle anderen Geruchseindrücke. Deshalb befindet sich in unserem Bestatterkoffer auch immer eine Dose Wick, die ganz große Klinikdose.
Die Männer machen bedanken sich für den Tip und am späten Montagmorgen kommen sie bei uns in der Firma an.
Es habe alles gut geklappt, im Krankenhaus habe es keiner weiteren Probleme gegeben, auch auf dem Standesamt seien sie sofort drangekommen, nur daß das Hotelzimmer kein eigenes Klo hatte, das hätte sie ein wenig gestört.
"Struppi" nimmt ein Medikament zum Entwässern und muß alle paar Viertelstunden aufs Klo. Wenn das dann weit weg, am Ende eines eiskalt gefliesten Flures ist, dann ist das schon sehr lästig.
Aber was anderes hatten sie auf die Schnelle nicht bekommen.
Während ich mich mit "Tim und Struppi" noch unterhalte, hat Manni unten im Keller die frisch eingetroffene Frau Klubankel in Augenschein genommen. Er kommt zu uns hoch und fragt "Tim und Struppi": "Sagt mal, was ist denn mit der Nase von der Frau? Hatte die irgendwie eine Plastiknase oder was?"
"Wieso? Die hat eine ganz normale Nase", sagt Tim.
"Jau, ganz normal", bestätigt Struppi und Manni sagt: "Ja aber, die zieht doch Fäden, wie weiches Wachs."
"Ach so", sagt Tim: "das ist doch das Wick-Vaporub".
"Und was macht Wick-Vaporub auf der Nase der Verstorbenen, die ganze Nase ist quasi völlig mit Wick eingepackt", fragt Manni.
"Ja aber, der Chef hat uns das so am Telefon gesagt, wir haben nur gemacht, was der Chef gesagt hat."
"Neeeeee", sage ich: "Ihr habt das aber jetzt nicht der Toten unter die Nase geschmiert, oder? Man macht sich das selbst unter die Nase, nicht den Toten."
"Ja aber warum denn", wehrt sich 'Tim', "WIR riechen doch nicht komisch!"
Ich seufze einen tiefen Seuzer, der so tief ist, daß Antonia aus ihrem Büro kommt und fragt: "Chef, haben Sie mich gerufen?"
Ich schüttele nur ganz langsam den Kopf und schlurfe kraftlos in mein Büro, in meine Oase der Ruhe und des Friedens. Ich muß mal wieder Kreuzworträtsel machen, irgendwas was ablenkt, oder häkeln....